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Otto Brenner Preis – Medienprojektpreis

dotiert mit 2.000 Euro

Alfons Pieper

2010 geht der „Medienprojektpreis“ der Otto Brenner Stiftung an den Blog „Wir in NRW“. Alfons Pieper, freier Journalist, und seine (anonymen) Mitstreiter berichten seit Ende 2009 in ihrem Internet-Blog exklusiv über fragwürdige Wahlkampf-praktiken des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers, die bei den Zeitungen und Sendern der Region zunächst kein Thema waren.

    Man liest und hört es immer wieder: Das Internet, so heißt es, sei ein per se demokratisches Medium. Ein jeder kann dort veröffentlichen, was er oder sie für richtig hält. Die etablierten Medien haben kein Monopol mehr auf die Verbreitung von Nachrichten und Meinungen. Die Bürger können mit wenig Aufwand dagegen halten und vor allem können sie sich heute mit Hilfe des Netzes untereinander viel schneller verständigen als ehedem. Doch trotz all der vielen Blogs und Aktivistenseiten im Netz gilt: professionellen Journalismus hat das Internet keineswegs überflüssig gemacht, sondern eher im Gegenteil: Die Infoflut ist so gewaltig angeschwollen, dass es eigentlich nur mit Hilfe von gelernten Informationsarbeitern möglich ist, den Überblick zu behalten. Kritischer Journalismus bleibt eine Conditio sine qua non für die Herstellung von Öffentlichkeit, ohne die Demokratie gar nicht funktionieren kann, daran ändert das Internet erst mal gar nichts.

    Doch es gibt Situationen, da kann das Publizieren im Netz zum wahren Rettungsanker für die demokratische Meinungsbildung werden, dann nämlich, wenn die bezahlten Profis an der Informationsfront ihre Arbeit nicht mehr richtig tun oder tun können. Wenn die etablierten Medien bei ihrer Aufgabe versagen, und die Verfehlungen der Mächtigen gar nicht mehr berichtet werden. Sei es, weil in den Redaktionen ohne Rücksicht auf die Qualität massenhaft Stellen abgebaut werden oder sei es, weil der Filz zwischen Politik, Unternehmen, Verlegern und Chefredakteuren dazu führt, dass kritische Journalisten bei den etablierten Medien gar nicht mehr zum Zuge kommen.

    Wie einer solchen Lage richtig zu begegnen ist, das haben unsere diesjährigen Preisträger für das beste Medienprojekt bewiesen. Alfons Pieper, selbst lange Jahre stellvertretender Chefredakteur der Westdeutschen Allgemeinen (WAZ) hat den Niedergang der politischen Berichterstattung in Nordrhein-Westfalen lange verfolgt und in der Zeit vor der Landtagswahl selbst zur publizistischen Nothilfe gegriffen. Gemeinsam mit fünf Kollegen rief er den Blog „Wir-in-NRW“ ins Leben und schuf so Gegenöffentlichkeit im besten Sinne des Wortes. Seit Dezember 2009 haben er und sein Team über all die fragwürdigen Wahlkampfpraktiken des damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und seiner Parteifreunde berichtet, die bei den Zeitungen und Sendern der Region zunächst gar kein Thema waren.

    Pieper und seine Kollegen waren es, und eben nicht die Zeitungen und Sender der Region, die herausbrachten, dass hoch bezahlte Beamte der Staatskanzlei für die Parteiarbeit abgestellt wurden oder dass angeblich unabhängige Wähler-Initiativen ihre Ausgaben über ein CDU-Konto abwickelten. Sie prangerten an, dass Industrielle ihre Parteispenden als Betriebskosten abrechneten oder dass ein aus öffentlichen Geldern bezahlter Politik-Professor sich in den Dienst der Wahlkämpfer stellte. So waren die Autoren von „Wir-in-NRW“ bei vielen brisanten politischen Themen nicht nur ganz vorne mit dabei. Vielfach brachten sie die Berichterstattung der übrigen Medien überhaupt erst in Gang. Wie nötig diese journalistische Intervention war, bewies nicht zuletzt der Umstand, dass sich die Regierenden nicht zu schade waren, staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegen die Blogger zu veranlassen, obwohl diese lediglich normale journalistische Arbeit leisteten.

    Unbezahlt und in ihrer Freizeit haben die Autoren von „Wir-in-NRW“ auf diesem Weg vorbildlich demonstriert, wie man Fehlentwicklungen in den Medien bekämpft und korrigiert. Dafür gebührt ihnen Dank und als kleiner Ausgleich für die viele Mühe dieser Preis. Eine Bitte haben wir allerdings: Bleiben Sie dran!